Laut war der Aufschrei, der vor rund 4 Monaten durchs Land ging: Immer noch verdienen weibliche Angestellte rund einen Fünftel weniger als ihre Kollegen. Schlimmer noch: Es ist nicht etwa besser geworden mit der Diskriminierung. Eher hat sich der Geschlechtergraben wieder geöffnet .
Zwar ist etwas mehr als die Hälfte der Differenzen erklärbar, etwa mit Qualifikation oder dem Alter. Aber dann ist Schluss – der Rest ist schlicht Diskriminierung. Das entsprechende Gesetz – also das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit – hat bis heute versagt.
So beteuerten denn im Juni zerknirschte Branchenvertreter und Chefs auf allen Kanälen, dem ungesetzlichen Treiben sofort ein Ende setzen zu wollen. Dafür stünde den Unternehmen gratis und franko ein Instrument zur Verfügung: der so genannte Lohngleichheitsdialog. Es ist ein gemeinsames Projekt von Gewerkschaften, Arbeitergebern und Bund, wo Firmen mit über 50 Angestellten ihre Löhne per Computerprogramm relativ leicht auf Diskriminierungen hin überprüfen können.
Unternehmen machen nicht mit
Die Bilanz nach 18 Monaten: Zwei Firmen haben bislang mitgemacht – Novartis und die Post. Zwei weitere Firmen sind angemeldet. Das wars.
«Ich bin erschüttert», sagt Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes SGB. Überall spreche er die Unternehmenszuständigen an und schicke bei Interesse die Unterlagen. Resultat: Ausser Spesen nichts gewesen.
Schuld am Debakel sind für den SGB aber nicht nur die Arbeitgeber, sondern vor allem auch deren Dachorganisation, der Arbeitgeberverband. »Der muss jetzt endlich vorwärts machen«, fordert Christina Werder, Projektleiterin Lohngleichheitsdialog beim SGB.
Dass sich die Sache äusserst harzig entwickelt, weiss man auch beim Arbeitgeberverband. «Ich hatte mir auch mehr erhofft», so Ruth Derrer Balladore, Ressortleiterin Arbeitsmarkt. «Aber ich kann die Firmen ja nicht zwingen – und oftmals ist den Unternehmen der politische Aspekt einfach nicht bewusst.»
Allerdings hätten zahlreiche Firmen ihre Lohnstrukturen bereits auf Diskriminierungen hin überprüft und Konsequenzen gezogen – nur mit anderen Systemen. Weshalb sie nun beim Dialog nicht aufgeführt seien.
Dennoch liegt die Vermutung auf der Hand: Wer sich drücken will, findet immer Ausreden: Wirtschaftskrise, bereits eingeleitete Massnahmen, dringendere Unternehmensprobleme et cetera.
Angst vor hohen Kosten
Und die Ausreden lohnen sich. Denn Mitmachen kann teuer werden: Stellt sich heraus, dass Frauen lohnmässig in einem Unternehmen diskriminiert werden, müssen ihre Löhne rauf. Macht am Schluss weniger Gewinn.
Wie auch immer: Die Uhr für den Lohngleichungsdialog tickt, und zwar schon ziemlich laut. Denn in 6 Monaten wird der Lohngleichheitsdialog evaluiert. Und eigentlich sieht ein Aktionsplan vor, dass bis dahin rund 20 Unternehmen dabei sein sollten.
Und so könnte es sein, dass nach der Evaluation fertig dialogisiert ist. Und die zuständigen Bundesbehörden – sie wollen sich momentan nicht dazu äussern – neue Massnahmen ausarbeiten müssen, um die Lohngleichheit endlich durchzusetzen.
Denn schon jetzt zeigt sich: Der gutschweizerische und gutgemeinte sozialpartnerschaftliche Dialog wird’s allein wohl nicht richten.
Michaela Kozelka
Seguici